Arzt vor Gericht: falsche Fahreignungsgutachten in 101 Fällen

Arzt vor Gericht: falsche Fahreignungsgutachten in 101 Fällen

Ein 69-jähriger Mediziner stellte nach eigenem Ermessen Fahreignungsgutachten aus. Nun wurde er zu acht Monaten auf Bewährung und einem partiellen Berufsverbot verurteilt.

München: In der bayrischen Landeshauptstadt vergab ein 69-jähriger Mediziner äußerst leicht und preiswert positive Fahreignungsgutachten. Die Arztpraxis sowie die Tatsache, unkompliziert an medizinisch-psychologische Gutachten zu gelangen, machte in Taxi- und Busfahrerkreisen schnell die Runde. Eine große Zahl an Berufskraftfahrern reiste an, um sich auf diesem Wege die begehrten Personenbeförderungsscheine zu beschaffen.

Im Gegensatz zu offiziellen Stellen war das medizinische Gutachten in der Arztpraxis schon für schlappe 40 Euro zu bekommen. Eine allgemeingültige Gebührenordnung gibt es nicht, was zur Folge hatte, dass eine breite Klientel von Bad Tölz bis Landsberg am Lech den preisgünstigen Dienst des verantwortungslosen Mediziners in Anspruch nahm. Die Gesundheitstests sind eine grundliegende Voraussetzung für Berufskraftfahrer, um Personen befördern zu dürfen. Beim TÜV oder bei der DEKRA sind die Gesundheitszeugnisse weitaus teurer.

Kraftfahrer, die Personen befördern wollen, müssen sich vor der Berufsausübung stets einem medizinisch-psychologischen Test unterziehen. Das war in den Praxisräumen des Arbeitsmediziners jedoch nicht üblich. Vor dem Amtsgericht München gab der Arzt an, alle Antragsteller auf seine eigene Weise untersucht zu haben, ohne dabei die individuellen Werte zu berücksichtigen. Nach 40 Jahren Berufserfahrung habe es noch nie Regressforderungen gegeben. In der alltäglichen Praxis sah das so aus, dass der Mediziner nach eigenem Ermessen die gesundheitliche Eignung bescheinigte und dabei fiktive Testergebnisse in die Formulare kopierte.

Die Ermittlungen kamen ins Rollen, als einem Mitarbeiter des Landratsamtes München auffiel, dass seit einiger Zeit viele Taxifahrer mit identischen gesundheitlichen Werten in der Bayernmetropole unterwegs waren, die zudem immer vom selben Arzt bescheinigt wurden. Im Oktober 2015 wurde dem Arbeitsmediziner schließlich ein Strafbefehl wegen der Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse in 101 Fällen zugestellt. Doch der Arzt blieb uneinsichtig und legte Einspruch ein.

Der Gesetzgeber verlangt, dass alle Berufskraftfahrer die Personen befördern, ihre Fahrtauglichkeit in einem standardisierten Verfahren beurteilen lassen müssen. Dabei wird das „Wiener Testverfahren“ angewandt. Mithilfe eines Computers werden Probanden eine Reihe von Aufgaben und Schaubilder vorgelegt, die jedoch im Vorfeld der Tests vom Mediziner ausgedruckt wurden. Die Ergebnisse hielt er den Testpersonen vor, die gegebenenfalls auf eine Klingel treten mussten, um ihre Reaktionsfähigkeit zu beweisen.

Am Rande des Gerichtsverfahrens kündigte ein Behördenvertreter an, dass die betroffenen Berufskraftfahrer gebeten werden, neue Fahreignungsgutachten vorzulegen. Das Risiko von gesundheitlich ungeeigneten Personen befördert zu werden sei zu groß. Diese Gefahr sieht ebenso Richter Andreas Schätzl, der neben der achtmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung auch ein dreijähriges partielles Berufsverbot verhängte. Während dieser Zeit darf der Mediziner keine Fahreignungsgutachten mehr ausstellen.

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